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Taktile Orientierungshilfen an sicher nutzbaren Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen

 

Bild 1 zeigt ein Aufmerksamkeitsfeld vor der unteren Setzstufe einer Treppe.
Bild 1: Aufmerksamkeitsfeld vor unterer Setzstufe © Mobilfuchs

💡 Taktile Orientierungshilfen an Treppen sind für blinde Menschen von elementarer Bedeutung. Nur mit deren Hilfe lässt sich der Beginn bzw. das Ende eines Höhenniveauwechsels für sie mit den Füßen oder dem Blindenlangstock rechtzeitig erkennen.

Was sind taktile Orientierungshilfen?

Unter taktilen Orientierungshilfen sind Hilfen zu verstehen, die die kognitive Fähigkeit einer Person, sich anhand taktil wahrnehmbarer Informationen räumlich auszurichten, unterstützen und/oder erleichtern.                                                 
Dabei hilft die taktile Wahrnehmungsfähigkeit von Informationen ein Bewusstsein zur Orientierung zu entwickeln sowie dieses zu aktualisieren.
Für Schlussfolgerungen und Planungen zur Orientierung kann auf bereits taktil gesammelte Erfahrungen zurückgegriffen werden, die schon im Gehirn gespeichert wurden.

Begriffe

Eine Definition über die wichtigsten hier verwendeten Begriffe

a) notwendige Treppe
b) nicht notwendige Treppe
c) Laufbreite
d) Setzstufe
e) Treppenlauf
f) Treppenwange
g) Trittstufe

finden Sie in unserem Lexikon sowie auf unserer Webseite „Verkehrssicher nutzbare Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen“. Auf dieser Webseite finden Sie weiterhin baurechtliche Hinweise sowie Quellen zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Welche taktilen Orientierungshilfen sind an Treppen vorzusehen?

  • Zur Kennzeichnung des Höhenniveauwechsels sind Aufmerksamkeitsfelder als taktile Orientierungshilfen an Treppenanlagen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen vorzusehen.
  • Bei einem Aufmerksamkeitsfeld handelt es sich um eine rechteckig, deutlich vom anschließenden Bodenbelag abgegrenzte Fläche, die durch ihre taktile Oberflächengestaltung von blinden Menschen mit den Füßen und den Blindenlangstock leicht erkennbar ist und von ihnen eine erhöhte Achtsamkeit fordert. 
  • Weitere Informationen zu den Anforderungen bezüglich der Gestaltung, Anordnung und zum Einsatz von Aufmerksamkeitsfeldern, finden Sie auf der Webseite „Die taktilen Elemente des bodengebundenen Blindenleitsystems“. zu dieser Webseite verlinken

Wo sind die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik für die taktile Orientierungshilfen zu finden?

 

  • Die maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik für taktile Orientierungshilfen an Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen findet man in der DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“. Dort sind die Anforderungen im Abschnitt 5.7.1 „Treppen, Einzelstufen und steile Rampen“ festgehalten. Weitere spezielle Anforderungen für taktile Orientierungshilfen an Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden enthält Abschnitt 6 „Orientierung in Gebäuden“ der DIN 32984.
  • Zudem werden in der DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“ Teil 1 „Öffentlich zugängliche Gebäude“
    im Abschnitt 4.3.6.4 Anforderungen an taktile Orientierungshilfen vor Treppen formuliert, wobei man sich auf die DIN 32984 stützt.
  • Der europäischen Norm DIN EN 17210 „Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt – Funktionale Anforderungen“ können rein funktionale Anforderungen an taktile Orientierungshilfen an Treppen entnommen werden.

Anforderungen an taktile Orientierungshilfen an Treppen

Taktil wahrnehmbare Orientierungshilfen an Treppen müssen sich vom angrenzenden Bodenbelag deutlich in ihrer Form, Oberflächenstruktur sowie des Materials mit den Füßen und dem Blindenlangstock unterscheiden lassen.

Für die räumliche Orientierung sind geradlinige Wegeführungen und rechtwinklige Abzweigungen hilfreich. Sie erleichtern zudem die Erfassung von Räumen in ihrer Gestaltung und Größe.

Oberflächenstrukturen taktiler Orientierungshilfen an Treppen

  • Im Außenbereich von öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen sind Bodenindikatoren zu verwenden. Die hier zum Einsatz kommenden Bodenindikatoren zur Gestaltung von Aufmerksamkeitsfeldern, müssen über eine Oberflächenstruktur in Form von diagonal angeordneten Noppenprofilen, gemäß DIN 32984, verfügen.
  • Insbesondere die baulichen Gebäudestrukturen und die sich im Verhältnis zum Außenbereich geänderten Gefahrensituationen innerhalb öffentlich zugänglicher Gebäude gestatten andere Anforderungen an die Gestaltung taktiler Orientierungshilfen.
  • In den Innenbereichen öffentlich zugänglicher Gebäude und Einrichtungen ist es aus gestalterischen Gründen möglich, für Bodenindikatoren mit Noppenprofilen, zur Gestaltung von Aufmerksamkeitsfeldern an Treppen andere Materialien einzusetzen. Dies setzt jedoch voraus, dass die alternativ gewählten Materialien über ebenso gute taktile und visuelle Eigenschaften wie Bodenindikatoren verfügen.
  • Zu diesem Zweck können beispielsweise eindeutig wahrnehmbare Wechsel von Bodenbelägen Verwendung finden, wie er beim Einsatz von Teppichböden zu strukturarmen Oberflächenbelägen erreicht werden kann.
  • Trotz dieser Eignung sollte bedacht werden, dass jedoch eine andere Gestaltung der Aufmerksamkeitsfelder als mit Bodenindikatoren nicht in jedem Fall eindeutig genug ist, um auf eine Gefährdung hinweisen zu können. Daher sind zur unmissverständlichen Gewährleistung der Verkehrssicherheit vorzugsweise Bodenindikatoren zu empfehlen.
  • Während die Oberflächenprofile der Aufmerksamkeitsfelder im Außenbereich über eine Höhe von 4 mm bis 5 mm verfügen müssen,
    ist dagegen in Innenbereichen bei strukturarmen Bodenoberflächen ein Höhenniveauunterschied der Oberflächenprofile von 2 mm bis 3 mm ausreichend.

Anforderungen nach DIN 18040-1

 

  • Entsprechend der DIN 18040-1 ist die Gefahr vor Abstürzen an Treppen öffentlich zugänglicher Gebäude und Einrichtungen für blinde und sehbehinderte Personen zu minimieren. Sie verweist insbesondere darauf, dass für blinde Menschen von Treppen die unmittelbar frei im Raum beginnen ein erhöhtes Absturzrisiko ausgeht.
  • Die Norm empfiehlt, vor Treppen, die unmittelbar frei im Raum beginnen sowie vor Einzelstufen eine taktile Kennzeichnung der Treppenanlage mit einem Aufmerksamkeitsfeld, vorzusehen. Dieses, mit den Füßen und dem Blindenlangstock taktil wahrnehmbares Aufmerksamkeitsfeld, sollte unmittelbar hinter der obersten Trittstufe der Treppe (Treppenaustritt) angelegt werden. Die Fläche des Aufmerksamkeitsfeldes soll über eine Mindesttiefe von 60 cm, vorzugsweise jedoch 90 cm, verfügen und über die gesamte Treppenbreite verlegt werden.
  • Zudem verweist die DIN 18040-1 darauf, dass die Möglichkeit besteht, vor der untersten Setzstufe einer Treppenanlage ein Aufmerksamkeitsfeld anzuordnen.

Anforderungen nach DIN 32984

  • Entgegen DIN 18040-1, sagt die DIN 32984 aus, dass abwärtsführende Treppen und Einzelstufen (Höhenniveauwechsel) von Aufmerksamkeitsfeldern angezeigt werden. Damit sind, gemäß dieser Norm, vor der obersten Stufe einer Treppe Aufmerksamkeitsfelder anzuordnen.
  • Die DIN 32984 räumt ebenfalls (wie DIN 18040-1) die Möglichkeit einer Anordnung eines Aufmerksamkeitsfeldes vor der untersten Setzstufe ein. Wird allerdings eine aufwärtsführende Treppenanlage in ein Leitsystem eingebunden, so ist vor deren untersten Setzstufe ein Aufmerksamkeitsfeld anzuordnen.
  • Damit vor einer aufwärtsführenden Treppe der Eindruck einer Scheinstufe (durch die beispielsweise Verwendung von hellen (weißen) Bodenindikatoren und hellen Stufenmarkierungsstreifen auf jeweils dunklen Belägen) vermieden wird, ist das Aufmerksamkeitsfeld in einem Abstand von 60 cm vor der untersten Setzstufe anzuordnen.
  • Auf Zwischenpodesten von Treppen, deren Tiefe größer als 350 cm ist, muss vor dem abwärts führenden Treppenlauf ein Aufmerksamkeitsfeld angeordnet werden.
  • Auf gleichmäßig verlaufenden Gehflächen können plötzlich auf einmal auftauchende Einzelstufen oder auch Treppen eine erhebliche Gefährdung darstellen. Diese ist mit der Anordnung eines Aufmerksamkeitsfeldes zu mindern.
  • Zur Sturzprophylaxe sind vorsorglich auch Treppenanlagen bzw. Einzelstufen mit sich verringernder Höhe und/oder sich verjüngenden Trittflächen in ihrer gesamten Laufbreite mit Aufmerksamkeitsfeldern zu kennzeichnen.

Einbindung taktiler Orientierungshilfen in Blindenleitsysteme

 

  • Zur Hinführung auf Treppen in großflächigen Außenanlagen sowie in beispielsweise Fluren, Foyers und Hallen von beträchtlichen Ausmaßen von mehr als 8 m Breite, bedarf es in der Regel ein Blindenleitsystem. Die taktilen Orientierungshilfen an Treppen in Form von Aufmerksamkeitsfeldern sind in das Blindenleitsystem einzubinden.
  • Sollen Treppenanlagen, neben einer Festtreppe mit einer Rolltreppe oder Treppen mit einer Breite von über 3 m in ein Leitsystem eingebunden werden, so soll mit kurzen Leitstreifen zum linken und rechten Handlauf der Festtreppe navigiert werden (vgl. Bild 2).
    Hierbei ist der kurze Leitstreifen über ein Abzweigefeld im Leitsystem zum Aufmerksamkeitsfeld vor der Treppe, im Abstand von 60 cm zur Wand, zu führen.
Bild 2 zeigt einen kurzen Leitstreifen, der über ein Abzweigefeld vom Leitsystem zum Aufmerksamkeitsfeld vor der Treppe führt.
Bild 2: Taktile Kennzeichnung einer abwärtsführenden breiten Treppe > 3 m © Mobilfuchs
  • Kommen bei Treppenbreiten von 12 und mehr Metern Mittelhandläufe zum Einsatz, so können diese angezeigt werden, wenn eine Verknüpfung zum vorhandenen Leitsystem hergestellt wird. Bei Treppenbreiten bis zu 3 m ist es dagegen ausreichend, wenn auf die Mitte einer Treppe geführt wird (vgl. Bild 3).
Bild 3 zeigt einen Leitstreifen, der mittig zum Aufmerksamkeitsfeld einer schmalen Treppe führt.
Bild 3: Führung zu einer schmalen (aufwärtsführenden) Treppe < 3 m © Mobilfuchs
  • Damit eine Behinderung der Fußgängerströme im Bereich von Treppen vermieden werden kann, sollten quer vor Treppen zu verlegende Leitstreifen über einen ausreichenden Abstand zur Treppe verfügen. Hierzu wird vor einer aufwärtsführenden Treppe ein Abstand (zwischen Leitstreifen und unterer Setzstufe) von 270 cm (vgl. unten Bild 4) und einer abwärtsführenden Treppe ein Abstand (zwischen Leitstreifen und oberer Trittstufenvorderkante) von 250 cm (vgl. oben Bild 2) empfohlen.
  • Sind seitlich eines Leitsystems liegende Treppen in dieses einzubinden, so erfolgt die Hinführung vom Leitsystem über Abzweigefelder und Leitstreifen hin zum Aufmerksamkeitsfeld vor der Treppe (vgl. Bild 4).
Bild 4 zeigt die Führung vom Leitsystem über Abzweigefelder und Leitstreifen hin zum Aufmerksamkeitsfeld vor der Treppe.
Bild 4 : Führung zu einer seitlich aufwärtsführenden (schmalen < 3 m) Treppe       © Mobilfuchs
  • Befinden sich im Abstand von < 360 cm vor der seitlich gelegenen Treppe unvermeidbare Einbauten, ist es in diesem Sonderfall möglich, nur mit einem Abzweigefeld im Leitsystem (Leitstreifen) auf die Treppe hinzuweisen. Dazu ist das Abzweigefeld in Höhe des Endes der Treppenwange anzuordnen (vgl. Bild 5).

Bild 5 zeigt die Kennzeichnung der seitlich gelegenen Treppe mit einem Abzweigefeld im Leitstreifen.
Bild 5: Anzeige einer seitlich gelegenen (abwärtsführenden) Treppe im kurzen Abstand zu Einbauten bei einem Abstand von < 360 cm zwischen Leitsystem und Treppe                  © Mobilfuchs

Welche Rolle spielen taktile Orientierungshilfen an Treppen im Baurecht?

Gemäß des Baurechts (vgl.: „Verkehrssicher nutzbare Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen“), insbesondere der Anlage A 4.2/2 MVV TB, wird die Einführung des Abschnitts 4.3.6 „Treppen“ der DIN 18040-1 auf notwendige Treppen beschränkt. Damit sind die nicht notwendigen Treppen von einer verbindlichen Anwendung des Abschnitts 4.3.6.4 „Orientierungshilfen an Treppen und Einzelstufen“ ausgenommen. Der damit verbundene Verzicht auf eine taktile Orientierungshilfe an nicht notwendigen Treppen steht grundsätzlich nicht im sicherheitsrelevanten Interesse zur Vermeidung von Treppenstürzen blinder Menschen.

In diesem Zusammenhang ist eine generelle Einschränkung auf notwendige Treppen nicht nachvollziehbar und keinesfalls akzeptabel. Gibt es doch, neben den als „notwendige Treppe“ einzustufenden Treppen, vielfach durchaus noch wichtige Treppen in Gebäuden wie Sport- und Kultureinrichtungen und ähnliche, bei denen dringend auch erforderliche Sicherheitsmaßnahmen wie taktil wahrnehmbare Orientierungshilfen an Treppen, vorgesehen werden müssen. Zudem sollte bedacht werden, dass für jeden, der sich in einem komplexen Gebäude verlaufen hat und nun vor einer Treppe steht, diese „notwendig“ werden kann.

Zusammenfassung:

Fazit

  • Für blinde Menschen geht insbesondere von abwärtsführenden Treppen und Einzelstufen (Höhenniveauwechsel) ein erhöhtes Absturzrisiko aus. Daher sind diese zur rechtzeitigen Wahrnehmbarkeit mit einem Aufmerksamkeitsfeld zu kennzeichnen.
  • Zudem besteht die Möglichkeit der Anordnung eines Aufmerksamkeitsfeldes vor der untersten Setzstufe einer aufwärtsführenden Treppe. Dort ist jedoch ein Aufmerksamkeitsfeld anzuordnen, wenn die Treppe in ein Blindenleitsystem eingebunden ist.
  • Für die Gestaltung von Aufmerksamkeitsfeldern in Außenbereichen von öffentlich zugänglichen Gebäuden und Einrichtungen, sind Bodenindikatoren mit einem diagonal angeordneten Noppenprofil zu verwenden. Dagegen können in deren Innenbereichen alternativ andere Materialien eingesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die alternativ gewählten Materialien über ebenso gute taktile und visuelle Eigenschaften wie Bodenindikatoren verfügen. 

Weiterführende Links:

© Mobilfuchs, 14.04.2023



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