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DIN EN 17210 mit Anforderungen für Changing Places?

In den zurückliegenden Jahren ist die Inklusion von Menschen mit Behinderung verstärkt in das gesellschaftliche Bewusstsein getreten. Dies schließt die Bedürfnisse älterer Menschen in einer zunehmenden alternden Gesellschaft mit ein.

Das Bild 1 zeigt ein Mann der eine Frau im Rollstuhl schiebt vor einer hauswand mit dem Hinweis auf ein Changing Places WC.
Bild 1: Hinweis auf ein Changing Places – WC
Photo by pxby666 on Pixabay bearbeitet von Mobilfuchs

Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Betroffenen ist dabei die Möglichkeit ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Viele Maßnahmen wurden angedacht, geplant und bisher auch realisiert. Doch ein wesentlicher Umstand, dass Fehlen an barrierefrei nutzbaren Toiletten, hindert oftmals die Betroffenen daran, bestehende Angebote wahrzunehmen. Dabei ist eine Behindertentoilette jedoch oftmals für Menschen mit einer alters- oder unfallbedingten Inkontinenz ungenügend. So muss das Wechseln von Inkontinenzeinlagen nicht selten auf dem Fußboden öffentlicher Behindertentoiletten erfolgen. Es geht darum diese entwürdigenden und unhygienischen Situationen, die überhaupt nicht zeitgemäß sind, zu beseitigen. Dazu bedarf es eines Changing Places.

Die Begrifflichkeit „Changing Places“ geht auf den Ursprung in England zurück und wurde in Deutschland durch das Projekt „Toiletten für alle“ der Stiftung Leben pur aufgegriffen und adaptiert. Die Begriffe sind somit als gleichwertig anzusehen. 

Was ist ein Changing Places?

Bei einem Changing Places handelt es sich um einen barrierefrei, uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Toilettenraum, der zusätzlich für Erwachsene mit einer Pflegeliege, einem Personenlifter, einer Dusche sowie einem luftdicht verschließbaren Abfallbehälter ausgestattet ist. Dabei ist jedoch eine Dusche, sowohl in England als auch in Deutschland, keine Voraussetzung für eine Toilette, um als „Changing Places“ bzw. „Toilette für alle“ angesehen zu werden. Es ist lediglich ein Plus, gehört jedoch nicht zur Grundausstattung. Diese Räumlichkeit kann als eine Kombination von Toiletten-, Dusch- und Umkleideraum gesehen werden.

Wer benötigt Changing Places?

💡 Die Nutzer von Changing Places sind Menschen mit umfassenden und mehrfachen Beeinträchtigungen, welche auf die Hilfestellung von Assistenzpersonen zurückgreifen müssen.

Nutzergruppen von Changing Places:

Somit zählen zu den Nutzergruppen unter anderem:

a) Menschen mit Multipler Sklerose;
b) Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma;
c) Menschen mit einer hohen Querschnittslähmung;
d) Menschen mit einer angeborenen schweren geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung;
e) an Demenz erkrankten Menschen und
f) Menschen mit einer altersbedingte Pflegebedürftigkeit.

Es kann auch davon ausgegangen werden, dass alle Pflegebedürftigen mit der höchsten Pflegestufe zur Nutzergruppe gehören. Diese Personengruppe ist beachtlich groß und dürfte im Rahmen des demographischen Wandels noch weiter zunehmen.

Die größere Fläche dieser Räumlicheit bietet für Nutzer von komplexeren Rollstühlen (mit einer neigungsverstellbaren Rückenlehne, Beinstützen, und integrierten Sauerstoffflasche) eine optimale Nutzungsmöglichkeit.

Wer engagiert sich für die Einführung von Changing Places?

    • Schon seit vielen Jahren engagiert sich die „Stiftung Leben pur“ für dieses Thema. Sie hat zu diesem Zweck das Projekt „Toiletten für alle“ https://www.toiletten-fuer-alle.de/ ins Leben gerufen. Die dazu gehörige Broschüre und den Flyer erhalten Interessenten bei der „Stiftung Leben pur“.
    • Zudem hat die „Stiftung Leben pur“ Petitionen an die Landtage verschiedener Bundesländer gerichtet. Ziel ist es, dass die Anforderungen des Projektes „Toiletten für alle“ (vgl. unten Bild 2)
      in die gesetzlichen Regelungen zum Baurecht der Bundesländer aufgenommen werden. Entsprechend der eingeführten Vorgaben müssten dann die Anforderungen des Projektes „Toiletten für alle“ in neu zu bauenden öffentlich zugänglichen Gebäuden vorgesehen werden.

      Bild 2 zeigt den Blick in eine ausgestattete „Toilette für alle“.
      Bild 2: Beispiel einer „Toilette für alle“ in München am Sendlinger Tor
      © Stiftung Leben pur
    • Damit für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen die Teilnahme an „Freiluftveranstaltungen“ möglich ist, bietet die „Stiftung Leben pur“ einen mobilen „Toiletten für alle“-Container zur Vermietung an.

Logo der Stiftung Leben pur          Logo Toiletten für alle

Kontakt zur „Stiftung Leben pur“
Wissenschafts- und Kompetenzzentrum für Menschen mit Komplexer Behinderung
Garmischer Str. 35
81373 München
Tel. +49 (0)89 / 35 74 81-17
Fax +49 (0)89 / 35 74 81 81                                                                                                        E-Mail: info@toiletten-fuer-alle.de                                                                                    www.stiftung-leben-pur.de

Wo sind derartige Räumlichkeiten zu finden?

In Deutschland dürften Changing Places eher noch die Ausnahme sein. Mit den eingereichten Landtagspetitionen könnte hier jedoch ein Wandel erfolgen.

Der große Flächenbedarf für ein Changing Places bzw. eine „Toilette für alle“ (vgl. unten Bild 3) dürfte momentan eine flächendeckende Realisierung erschweren. Vorstellbar wäre derzeit jedoch eine Etablierung beispielsweise in größeren Bahnhöfen, Flughäfen und größeren Gebäudekomplexen, wie Einkaufszentren und Freizeitanlagen.

Bild 3 zeigt die Skizze eines Grundrisses mit Maßangaben für eine Toilette für alle.
Bild 3 : Beispiel eines Grundrisses für eine „Toilette für alle“
© Stiftung Leben pur

Welche Anforderungen müssen Changing Places erfüllen?

Changing Places sollten vorzugsweise stets in möglichst unmittelbarer Nähe von weiteren betrieblichen Einrichtungen innerhalb des Gebäudekomplexes vorgesehen werden. Eine geeignete Beschilderung muss dabei auf das Changing Places hinweisen.

Merkmale von Toiletten für alle:
Nach Ansicht der „Stiftung Leben pur“ müssen „Toiletten für alle“ über folgende Merkmale verfügen:

a) eine Raumfläche von ca. 12 m²;
b) einen Personenlifter (Decken- oder Standlifter);
c) einer höhenverstellbare Pflegeliege mit abklappbarem Seitengitter sowie
d) einem luftdicht verschließbaren Abfallbehälter.

Die „Stiftung Leben pur“ empfiehlt  zur ergänzenden Ausstattung von „Toiletten für alle“ folgende Ausstattungen:

a) ein höhenverstellbares Waschbecken;
b) ein Dusch-WC mit 2 Toilettenpapierhalterungen;
c) 2 Kleiderhaken (in 2 unterschiedlichen Größen);
d) eine Spanische Wand (Paravent) zur Wahrung der Intimsphäre und
e) einen Deckenhaken über dem WC für individuelle Transferhilfen.

      • Die in Kürze erscheinende deutsche Fassung der europäischen Norm DIN EN 17210 „Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt — Funktionale Anforderungen“ enthält konkrete Anforderungen an die Gestaltung von Changing Places. In diesen lassen sich ein Teil der Anforderungen, welche die „Stiftung Leben pur“ im Rahmen ihres Projektes „Toiletten für alle“
        aufgestellt hat, wiederfinden. Ein anderer Teil ihrer Anforderungen wurde in der Norm konkretisiert.
      • Darüber hinaus enthält aber die DIN EN 17210 unter anderem einige weitere zu erfüllende Anforderungen. So fordert die Norm ausreichend breite Türen für einen ungehinderten Zugang für größere Mobilitätshilfen sowie eine ausreichende Raumbeleuchtung. Wichtig ist ebenfalls die Normenvorgabe, dass die Ausstattungseinrichtungen im Kontrast zu ihrem Hintergrund stehen müssen.
      • Die DIN EN 17210 empfiehlt unter anderem eine für die Raumverhältnisse ausreichende und regulierbare Heizung. Für Changing Places sollte vorzugsweise eine natürliche Belüftung über ein Fenster gegeben sein. Ist dies nicht möglich, empfiehlt die Norm eine mechanische Abluftanlage vorzuhalten.
                                                                                                                                                                                                                                                             
💡 Hinweis: Eine bisher unberücksichtigte bzw. nicht erwähnte Anforderung, die jedoch sehr wünschenswert ist, ist die Ausstattung der Changing Places mit einem Euro-Schlüssel. Bundesweit sind bereits zahlreiche öffentliche Toiletten für Menschen mit Behinderungen mit einem derartigen Schlüssel ausgerüstet, sodass für die Betroffenen ein erleichterter Zugang möglich ist.

Können derartige Räumlichkeiten in das Baurecht aufgenommen werden?

      • Zunächst ist festzuhalten, dass mit der Herausgabe der DIN EN 17210 in Deutschland die Changing Places erstmals normativ erfasst und für diese Anforderungen für deren Gestaltung und Ausstattung formuliert werden. Inwieweit diese Räumlichkeiten bei der bevorstehenden Anpassung der DIN 18040-1 an die DIN EN 17210 eine Aufnahme finden, kann heute noch nicht gesagt werden.
      • Entscheidend wird künftig sein, ob bei der Fortschreibung der Verwaltungsvorschriften Technischer Baubestimmungen der Länder, die Changing Places in diese aufgenommen werden. Die entsprechenden Regelungen können dann von der Obersten Baubehörde ohne weiteres wahlweise aus der DIN EN 17210 oder DIN 18040-1 eingeführt werden.

Fazit

Zusammenfassung:
Zur Verbesserung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen nehmen Changing Places eine wichtige Rolle ein. Dank des Engagements der „Stiftung Leben pur“ ist das Thema „Toiletten für alle“ ein ganzes Stück in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurden.

In Deutschland wird mit der Herausgabe der DIN EN 17210 erstmals normativ auf die Changing Places hingewiesen und Anforderungen formuliert. Aufgrund des großen Flächenbedarfs und des hohen Ausstattungsgrades wird es viel Kraft und Engagement bedürfen um diese in das Baurecht einzuführen.

Weiterführende Links:

© Mobilfuchs, 18.07.2021, aktualisiert am 16.01.2023



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